Eine Grundzutat für unerfüllte Sexualität: Die falsche PartnerInnen-Wahl

In den letzten Jahren ging ich mit vielen Menschen auf Spurensuche, um ihnen zu helfen ihre Herausforderungen im Sex zu meistern und den Ursachen ihrer erotischen Probleme auf die Schliche zu kommen. Dabei ging es oft in die tiefsten Tiefen des Kaninchenbaus (wie Morpheus zu Neo im Film „Die Matrix“ sagt). Doch es gibt EINE häufige Ursache für sexuelle Unzufriedenheit, die so augenscheinlich ist, dass man sie gerne übersieht: Die falsche PartnerInnenwahl

Gibt es sowas wie eine falsche PartnerInnenwahl überhaupt?

 

NEIN …

In vielen sexualtherapeutischen und tantrischen Schulen oder Richtungen der Persönlichkeitsentwicklung & Selbsterfahrung wird danach getrachtet, sich als sexuelles Wesen unabhängiger von seinem Gegenüber zu machen. Es geht um deine eigene sexuelle Essenz und dein Wesen, welches völlig unabhängig von deinen SexualpartnerInnen existiert. Für viele Menschen, die diese Erfahrung noch nie gemacht haben, ist diese Perspektive extrem wichtig und heilsam.

Auf körperlicher Ebene geht es darum, zu lernen, Lust aus sich selbst heraus zu generieren, zu steigern, damit zu spielen, sie zu regulieren und zu genießen – unabhängig davon, wie es mit den erotischen Skills des Herren oder der Dame steht, die gerade mit Dir das Bett teilen.

Auf psycho-emotionaler Ebene kann man lernen, Interaktionen und Beziehungen selbstwirksamer zu gestalten und einen Grad an Vertrauen in sich und das Leben aufzubauen, der einen mehr Freiheit erleben lässt und den eigenen Handlungsspielraum mächtig erweitern kann.

All diese Faktoren führen dazu, dass man – metaphorisch gesehen – unabhängig von der erotischen Wetterlage seine Urlaubstage genießt, weil man sich einfach selbst gut kennt, sich mag, immer etwas Schönes mit sich anzufangen weiß und im schlechtesten Fall die Dinge – im wahrsten Sinne des Wortes – selbst in die Hand nimmt (*g*).

Diese Perspektive betrachtet sexuelle Probleme oft unter der Annahme, dass mindestens ein Beteiligter in der Beziehung, diese Entwicklungsaufgabe der Selbstwirksamkeit und Autonomie oder der Beziehungsfähigkeit nicht ausreichend erfüllt hat, oder dass es auf einer systemischen, emotionalen oder beziehungsdynamischen Ebene Konflikte gibt, die verhindern, dass Sexualität erfüllend gelebt werden kann.

Oft genug trifft das auch zu.

JA …

UND… es gibt auch noch eine andere Perspektive, die genau so wahr ist. Und die macht in meiner Praxis mindestens ebenso häufig Probleme.

Es braucht neben all der Beziehungskompetenz, der Selbstwirksamkeit und der bereichernden Verschiedenheit, die jeder Beziehung eine gewisse Spannung und Würze geben, auch eine RESONANZ, SYNCHRONISATION oder einen GLEICHKLANG – Qualitäten, die einen Flow zwischen zwei oder mehreren Menschen herstellen. Und für diesen Gleichklang bin ich per Definition von der anderen Person zu einem nicht unwesentlichen Teil abhängig.

Denn es geht ja im Sex nicht nur darum, mir selbst Lust zu kreieren, sondern darum, einem anderen Menschen spielerisch zu begegnen. Für das Gelingen eines Spieles ist es notwendig, dass alle Beteiligten Lust darauf haben, ein gewisses Spiel zu spielen. JA – ich kann ab und zu dem anderen zu Liebe ein Spiel MITspielen und vice versa, aber um wirkliche sexuelle Magie zu erleben, braucht es auch eine ausreichend große Schnittmenge von Spielarten, in denen sich alle Beteiligten gleichermaßen wohl- und inspiriert fühlen.

Es gibt bestimmte Bedürfnisse, die ich mir nicht selber erfüllen kann, sondern in denen ich von meinem Partner abhängig bin. Ich möchte das an einem Beispiel abseits von Sexualität verdeutlichen:

Ich kann nicht wirklich lustvoll Cowboy & Indianer spielen, wenn meine Mitspieler das Spiel hassen, oder wenn alle Indianer sein wollen – aber niemand Cowboy. Oder wenn meine PartnerInnen keine Ahnung davon haben, was sie als Indianer machen sollen. Ich könnte ihnen zwar erklären, dass sie dann wild ums Feuer tanzen sollen, aber wenn sie das Gefühl von Wild-Sein nicht kennen oder sich nicht erlauben, dann wird es sich mehr nach einer Bully-Herbig-Parodie anfühlen, als nach dem Winnetou-Original. Im besten Fall arbeitet die betreffende Person an seiner Winnetou-Rolle … und kommt am Ende der Reise ganz authentisch zu dem Schluss: „Indianer-Spielen ist nichts für mich.“

Man könnte eine falsche Partnerwahl so definieren,

  • als dass ich mit diesem Partner in den Spielen, die mir am essenziell wichtigsten sind
  • und die ich nicht woanders hin auslagern kann oder will
  • nicht ausreichend große Schnittmengen bilden kann
  • und auch nicht anders kompensieren kann,
  • um meine grundlegenden Bedürfnisse auf Dauer zu befriedigen.

Auf gut Deutsch: unterm Strich steig ich mit einem Minus aus.

Wie dieses Problem oft entsteht

Der falsche Stellenwert
Oftmals messen Menschen der Sexualität nicht genug Stellenwert bei. Meiner Beobachtung nach, trifft das vor allem auf Frauen (aber nicht nur) am Anfang einer Beziehung zu. Das hat verschiedene Gründe. Manchmal kommt man vielleicht gerade aus Beziehungen in denen der Sex toll war, aber die Typen Arschlöscher, so dass man sich selbst sagt, dass man sich jetzt einen anständigen, verlässlichen, bodenständigen Typen sucht (mit dem dann der Sex aber oft nicht passend ist). Das zeigt auch einen gewissen Split zwischen Sex und Liebe, der aus männlichen Perspektive die Frau in Heilige oder Hure spaltet, zwischen denen Mann sich (scheinbar) entscheiden muss.

Das romantische Liebesbild
… das speziell der Westen geprägt hat, trägt dazu bei, dass in den Köpfen der Menschen die Vorstellung herumgeistert, dass es „mit dem Sex schon klappen wird, wenn man sich nur genug liebt“. In der Realität monogamer Beziehungen ist es aber auf der anderen Seite oft so, dass Menschen auf Seitensprünge oder Affären ausweichen, um wirklich leidenschaftlichen Sex zu haben. Das alles trägt dazu bei, dass eine gewisse Verwirrung um die mögliche Kooexistenz von Leidenschaft / Sexualität und Intimität / Dauerhaftigkeit besteht, die der Sexualität in Beziehungen einen untergeordneten Stellenwert einräumen. Ein Fakt, der sich langfristig leider oft bitter rächt.

Gesellschaftsmythos: Liebe ist wichtiger als Sex
Des weiteren existiert in den Köpfen der Menschen der Mythos, dass Liebe viel wichtiger ist als Sex. Vielleicht hast Du auch schon mal sowas gehört wie „WAS – nur wegen dem Sex denkst Du daran, Dich zu trennen!?“. Das zeigt, dass in unserer scheinbar so aufgeklärten Gesellschaft, die Sexualität einen untergeordneten oder sogar abschätzigen Stellenwert hat, der dazu beiträgt, sich auf Beziehungspartner einzulassen die von Anfang an sexuell schlecht kompatibel sind.

Eigenverantwortung
Doch man darf den Schwarzen Peter nicht nur der Gesellschaft allein in die Schuhe schieben. Oft genug kennen sich Menschen selbst und ihre Wertigkeiten bezüglich Beziehungen nicht genug. Sie wissen nicht, was ihnen gefällt, was sie brauchen, was ihnen wichtig ist oder worauf sie unter keinen Umständen verzichten wollen. Es ist klarerweise schwer die Beziehungen zu führen, die zu einem passen, wenn man nicht weiß, was man will. Wenn man dann langsam draufkommt, was man wirklich möchte, fällt es schwer die rosa Brille abzunehmen. Man will dann die Dinge nicht wahrhaben, die man sich selbst ins Leben eingeladen hat. Denn das mit dem Sex wird halt meistens leider doch nicht „einfach so“ … mit der Zeit … nur weil man sich liebt. Und dann seh ich immer wieder Menschen die von ihren PartnerInnen etwas verlangen, das diese von Anfang an nicht oder nur schwer geben können, weil sie einfach ganz anders gestrickt sind.

Was man tun kann, wenn man schon mittendrin steckt

Mich erweitern
Ich kann wissen wer ich bin und was ich mag UND ich kann mich selbst erweitern. So wie sich im Laufe des Lebens unser Geschmack für verschiedene Dinge verändert, kann ich mit einer offenen und neugierigen Haltung auch meine sexuellen Vorlieben erweitern und Gefallen an neuen, anderen Sachen finden. Ich könnte also die Vorlieben meiner PartnerInnen als Einladung oder Sprungbrett in eine neue Welt sehen und schauen, was mir davon gefällt.

Schnittmengen finden
Wenn man sich bewusst macht, dass man mit einem Partner unter Umständen nicht das gesamte Spektrum seiner Sexualität leben muss, sondern danach Ausschau hält, gemeinsame Schnittmengen zu finden, dann fällt etwas Druck ab und die Aufgabe bleibt überschaubarer. Es gibt fast immer etwas im riesigen Spielfeld der Sexualität zu finden, das beiden gefällt. Je weiter der eigene sexuelle Horizont und die Vielfalt, desto leichter lassen sich diese Bereiche finden und leben. Wenn Du Dich selbst erweiterst, dann erweitern sich automatisch auch die Schnittmengen.

Geschenke geben und empfangen lernen
Nicht immer müssen die Schnittbereiche so liegen, dass beide gleichzeitig totale Erfüllung darin finden. Ich kann auch lernen die überlappenden Bereiche der Sexualität schätzen zu lernen, in denen eine(r) der Beteiligten bekommt was er oder sie will und der andere ist im „Geschenksmodus“ und freut sich daran seinem Gegenüber Sinnesfreuden zu bereiten ohne selbst dabei in Ekstase geraten zu müssen. Dabei ist es wichtig auf eine Ausgewogenheit zu achten, denn wer zu oft im Geschenksmodus ist, dem geht irgendwann einmal die Lust am schenken aus. Schließlich ist das Leben ein Geben und Nehmen und man will auch selbst Erfüllung erleben.

Wenn das nicht genügt

Wenn oben genannten Strategien oder Haltungen nicht mehr genügen, dann gibt es im Prinzip nur 3 Möglichkeiten:

1) Grenzen Akzeptieren & bewusster Verzicht:

Das heißt mit Enttäuschung, Schmerz und Sehnsucht umgehen zu lernen, ohne den anderen dafür verantwortlich zu machen. Das gelingt dann besser, wenn ich mir bewusst mache, welches Bedürfnis ich mir selbst damit erfülle, wenn ich trotz gewisser unerfüllter Sehnsüchte in der Beziehung bleibe (zB Sicherheit, Geborgenheit, Stabilität, Liebe …)
Ich kann versuchen meine sexuelle Energie eine Zeit lang zu sublimieren – sprich sie auf andere Weise zu kanalisieren, zu leben und auszudrücken – zB durch Sport, Kunst, Kreativität, Engagement für Projekte etc.

Der Versuch diese Spannung auszuhalten, kann Humus für unser spirituelles Wachstum sein – auf der anderen Seite ist die Gefahr groß, dass wir anfangen unsere Bedürfnisse zu unterdrücken.

2) Beziehung öffnen und Bedürfnisse auslagern

Immer mehr Paare kommen beim Versuch, Dauerhaftigkeit & Sexualität unter einen Hut zu bringen drauf, dass das Modell der Monogamie ihren komplexen Ansprüchen nicht mehr gerecht wird. Statt sich in ein Beziehungskonstrukt hineinzuzwängen, das ihnen zu wenig Platz bietet, fangen sie an, sich ihren eigenen Beziehungsrahmen zu basteln, der ihnen sowohl genug Sicherheit & Verlässlichkeit, als auch genug Freiheit & Abenteuer bietet.

Ist die Beziehung an sich stabil und schaffen es die Paare, sich konstruktiv mit Eifersucht und Ängsten auseinanderzusetzen, bietet diese Option die Möglichkeit, gewisse sexuelle Bedürfnisse auszulagern und in Beziehung zu bleiben. Im besten Fall erlangt die Partnerschaft dadurch sogar noch mehr Tiefe, Intimität und Authentizität – WENN das alle Beteiligten wirklich wollen. Sehr gern begleite ich Paare bei diesem schwierigen Schritt, der viel Achtsamkeit und Bewusstheit erfordert und sehr von Begleitung und einem geeigneten Umfeld profitiert.

3) Trennung

Die letzte Möglichkeit bietet oft eine Trennung in Liebe. Nicht alle Beziehungen in denen sich Menschen lieben, eignen sich auch als Lebenspartnerschaften. Und JA – manchmal ist auch der Sex daran „Schuld“. Das ist eine schmerzhafte Wahrheit, die wir oft nicht wahrhaben wollen. Doch es ist oft die einzige Chance, bevor Du beginnst Dich von Dir selbst zu trennen und Dich immer mehr zu verlieren.

Welcher dieser Schritte der richtige für Dich ist, kann man oft erst sagen, wenn mal vieles probiert hat und sich selbst besser kennenlernt. Wenn man diesen Prozess geht, dann ist Selbsterkenntnis aber fast unausweichlich.

Willst Du Dich auf sexuellem Gebiet besser kennenlernen, dann ist vielleicht Sex³ das Richtige für Dich:
https://sexhochdrei.at

Suchst Du bei einem dieser Schritte eine einfühlsame und kompetente Einzel- oder Paarbegleitung, dann schau mal auf www.salamanderblut.at

Alles Liebe,
Manuel & das Sex³ Team