Warum Sexualität (k)ein Kinderspiel ist

Kinderspiele

Als ich letztens bei meiner Mutter am Seeufer-Steg lag, beobachtete ich drei Kinder in einem Boot beim Spielen:

Einer versuchte das Boot so ruckartig zu lenken, dass die beiden anderen, die am Rand des Bootes standen, über Bord fallen. Das ist ihm wegen der Schwerfälligkeit des Bootes nicht gelungen. Nach kurzem Nachdenken hatte er eine andere Idee. Er stand selbst auf und wackelte mit dem Boot so wild, bis endlich einer über Bord ging. Der andere hatte in sekundenbruchteilen die Idee einen Rettungsschwimmer zu spielen und den „Verunglückten“ mit einem waghalsigen Sprung in die Fluten zu bergen. Die Gunst der Stunde nutzt der erste Junge wiederum aus, um mit dem Boot – begleitet von einem spöttischen Grinsen – allein zu flüchten.

Schließlich machte er dann doch kehrt um beide an Bord zu lassen. Der Retter ging an Bord und zu zweit mussten sie sich anstrengen den etwas dickeren Burschen an Bord zu ziehen. Darauf eine kurze Verschnaufpause und ein erschöpftes Lachen während sie sich auf einem Haufen in den Armen lagen … bevor sie wenige Augenblicke später ein anderes Boot mit 2 Kindern entdeckten und einer der drei Jungs zum Angriff blies.

Ich habe dieses Treiben mit großem Interesse und einem Lächeln auf den Lippen verfolgt und mir gedacht: „Die haben (noch) genau DAS, was vielen meiner KlientInnen & WorkshopteilnemerInnen in ihrem Sexualleben fehlt“ – einen spielerischen Zugang.

Erwachsenenspiele

Stellt Euch dieselbe Lebendigkeit unter erwachsenen Menschen vor. Nur nicht im Boot – sondern im Bett. Und weil wir in einer überwiegend monogamen heterosexuellen Kultur leben, lasst uns aus den 3 Menschen der Einfachheit halber 2 machen – einen Mann und eine Frau:

Sie – öffnet ihre Beine und lädt ihn mit einem neckischen Lächeln dazu, mit seiner erhärteten Manneskraft in sie einzudringen. Dieser Einladung folgt er – doch er tut es langsam – in Zeitlupe. Das löst bei ihr Verlangen aus – worauf sie sein Gesäß ergreift und ihn an sich drückt um ihn stärker und tiefer zu spüren. Er verwehrt ihr diesen Wunsch mit einem schellmischen Blick und haucht in ihr Ohr „So dringend brauchst Du mich schon?!“. – „Halt die Klappe!“ sagt sie und versucht ihn durch eine ruckartige Drehbewegung in Rückenlage zu bringen um auf ihm sitzend die Oberhand zu gewinnen. Das gelingt ihr (mit etwas Hilfe von ihm) und sie beginnt, genüßlich auf seinem harten Glied zu reiten … ja fast zu tanzen … sie bewegt ihre heißen Lenden, ihren runden Po, ihren verschwitzen Oberkörper und ihren Kopf mit einer völligen Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit – jedem lustvollen Impuls ihres Körpers bedingungslos folgend. Damit treibt sie seine Erregung höher und höher bis er seine Hände seitlich in ihre Hüften krallt und ihr das Tempo vorgeben will. Sie packt seine Hände und reißt sie hinter seinen Kopf, wo sie seine Arme mit ihrem Körpergewicht fixiert. Dann leuchten ihre Augen als sie sagt – „Ahhh – so dringend brauchst Du es schon!?“. 

Ohne seine Antwort abzuwarten, intensiviert sie ihre Beckenbewegungen – was ihn näher und näher seinem Höhepunkt entgegenbringt. Gerade bevor bei ihm die rhythmischen Zuckungen einsetzen, die für einen Orgasmus charakteristisch sind, stoppt sie und sagt in einem bestimmten Ton: „NEIN- ich lass Dich nicht kommen“. Das macht ihn rasend und er bringt sie mit einer Bewegung auf alle Viere um sie von hinten zu nehmen. Dieser animalischen Kraft gibt sie sich voll und ganz hin und beide stimmen in ein Konzert der Laute ihrer Lust ein. Kurz bevor er abermals seinen Höhepunkt im Anmarsch spürt, stoppt er seine Bewegungen uns keucht „Noch nicht – es ist gerade so schön mit Dir“. Daraufhin legt sie sich auf den Rücken und zieht ihn ganz nah an sich. Sie sehen sich tief in die Augen und atmen miteinander bis sich ihre Rhythmen gemeinsam synchronisiert verlangsamen. Sie lächeln sich zufrieden an und streicheln sich behutsam und zärtlich. In dieser bewussten Langsamkeit spüren beide die Feinheit jeder Berührung auf ihrer Haut, den Atem des anderen, den eigenen Herzschlag und jede Regung ihrer Körper. In diesem Moment gibt es viel zu Erleben und nichts zu Erreichen. So liegen sie … lebendig und entspannt … bis ein unwillkürliches Zucken ihres Unterleibes das Signal gibt, auf eine neuerliche Lustwelle aufzuspringen und mit ihm zu surfen ….

Gemeinsamkeiten

Was erlebst DU gerade, wenn Du diese Zeilen liest? Es geht weniger darum, ob Du die Details ihrer Interaktion persönlich magst oder nicht, sondern um die Interaktion an sich. Kannst Du das SPIEL zwischen den beiden spüren? Kennst Du das von Dir?

Für einige mag der Vergleich mit dem Spiel der Kinder im Boot vielleicht weit hergeholt sein. Für mich ist da kaum ein Unterschied.

In beiden Fällen wechseln energetische Zustände, werden kreative Impulse eingebracht, Ideen umgesetzt, Angebote gemacht, abgelehnt oder angenommen, wird das Gegenüber vom eigenen Tun inspiriert und manchmal angesteckt, wird Resonanz (oder Dissonanz) erzeugt, wird mal Beziehung hergestellt und ein andermal ganz dem eigenen Impuls gefolgt, wird ausprobiert und der eigenen Fantasie freien Lauf gelassen. Ein Tanz zwischen dem Ich, dem Du und dem Wir.

Spiel ist eine Tätigkeitsform und ein fundamentales Lebenssystem des Menschen (Mogel)

Charakteristika von Spiel

Wahrscheinlich kommt das Wort Spiel nicht zufällig vom althochdeutschen „spil“ welches als „Tanzbewegung“ übersetzt werden kann.

Als ich vor einiger Zeit einen Liebesschule-Abend zum Thema „Das Wesen des Spiels“ vorbereitet habe, habe ich bei meinen Recherchen einiges gelernt. Einer der Hauptpunkte war, dass sowohl Menschen, also auch Tiere, fast alle ihre Basisfähigkeiten im Spiel lernen. Gehen, Sprechen, Gleichgewicht halten, Klettern, Springen, Tanzen, Beziehungsfähigkeit … UND eben auch Sexualität oder zumindest die Vorstufen davon. Nicht umsonst erwischt man Kinder immer wieder mal bei Doktor-SPIELEN.

Spiel fördert unsere Fähigkeiten für 2 existenzielle Lebensbedürfnisse:
Unser Bedürfnis nach Bindung u. Beziehung & unser Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit u. Autonomie

Spiel zeichnet sich durch folgende Qualitäten aus. Wenn Du bewusst darauf achtest, dass wirst Du merken, dass all diese Eigenschaften auch für die Sexualität gelten. Darum spreche ich auch oft davon, dass Sex eines der wenigen „regellosen“ spontanen Erlebnis-Spiele ist, das Erwachsenen nach der Kindheit und Jugend geblieben ist.

Die Lust & andere Wesensmerkmale des Spiels

Allem voran ist das Spiel eine lustvolle Tätigkeit in der sich Entspannung & Erregung in einem bestimmten Rhythmus abwechseln. Dazu zählen vor allem Zustände von Freude & Aufregung, die im besten Fall zu einem Flow-Erlebnis führen.

Weitere Qualitäten sind:

  • Präsenz & Gegenwärtigkeit, entspannter Fokus, Flow
  • Neugiertrieb, Erforschen & Abenteuer erleben, Ausprobieren & Experimentieren
  • Aufmerksamkeitssteuerung wechselnd auf Ich, Du oder Wir
  • Spontanität & Flexibilität
  • Interaktion & Resonanz
  • Aktivität (Angebote machen, Impulse ausdrücken) & Rezeptivität (Angebote annehmen, Impulse aufnehmen)“
  • Kreativität: Erschaffen & Gestalten
  • Phantasie & Rollenspiel („Das Spiel ermöglicht es, Erlebtes zu re-inszenieren und damit zu bearbeiten, neue Erlebensräume zu schaffen, sich selbst in anderen Rollen und die Reaktionen seiner Umwelt darauf zu erleben.“)

Wenn Menschen mit ihrer Sexualität kämpfen, dann oft. weil sie die Fähigkeit auf dieser erwachsenen Ebene zu spielen, verloren oder nicht entwickelt haben. Ob wir es wollen oder nicht – in der Sexualität sind wir in einer intimen Begegnung & treten (zumindest für den Moment) in eine Beziehung zu einem anderen Menschen. Das erfordert Mut und viele der oben genannten Qualitäten. Um diese Qualitäten auszubilden oder lebendig zu halten, braucht es die richtigen Umfelder. Leider sind viele Menschen nicht in einem Umfeld aufgewachsen, das diese Eigenschaften proaktiv gefördert hat. Im schlimmeren Falle sind in unserer Biografie tiefe Verletzungen entstanden, die den spielerischen erotischen Ausdruck verhindern.

Doch diese Verletzungen können heilen, wenn man sich mit ihnen auseinandersetzt und man die richtige Begleitung hat. Und es ist möglich sich als Erwachsener Mensch im Hier und Jetzt ein Umfeld zu erschaffen welches die Ausbildung oder Nachnährung von Qualitäten ermöglicht, die uns fehlen, um ein erfüllendes sexuelles Spiel zu erleben.

Der Online-Kurs, die Community & die Live-Workshops von Sex³ bieten beides:

a) Ein Lernen über Sexualität welches immer auch beinhaltet, durch Sexualität etwas über sich selbst zu lernen. Mit echten, langjährigen ExpertInnen als LernbegleiterInnen.

b) Eine Community, als ein Umfeld welches man braucht, um genau in diesem Bereich zu wachsen.

Insbesondere Modul 8 des Grundlagen-Kurses „Sexuelle Erfahrungsräume spielerisch gestalten lernen“ beschäftigt sich mit diesem Thema. Aber auch das Kennenlern-Modul, welches Du Dir kostenlos ansehen kannst, wenn Du Dich für den Newsletter anmeldest, enthält 3 spezielle Spielideen.

Viel Spaß beim Spielen wünscht Euch,

Euer Manuel